Muskulatur: Unsere Muskeln sind biomechanische Wunderwerke

[kkstarratings]Wenn wir uns bewegen, nutzen wir unsere Muskeln. Über 600 Stück wirken in unseren Körpern und sie machen fast die Hälfte unseres Körpergewichts aus. Über Sehnen mit den Knochen verbunden, wird jede Bewegung über die Verkürzung und Entspannung verschiedener Muskeln erreicht.

Wie vielschichtig diese Vorgänge sind, die Forscher dazu veranlasst haben, die Muskulatur eines Menschen als das komplexeste Organsystem nach dem Gehirn zu betrachten, erschließt sich, wenn man den Aufbau dieser Kraftelemente näher betrachtet.

Struktur und Aufbau der Muskulatur

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Muskeln © vitanovski – Photodune.net

Ineinander verschachtelt wie russische Püppchen ist der Aufbau dieses biomechanischen Wunders:

Muskelfasern

Von außen noch gut erkennbar ist der Ansatz zu den Sehnen und die Muskelbinde, die Faszie, eine derbe Haut, die den Muskel umschließt. Darunter findet sich eine strangähnliche Struktur, die Muskelfasern, die zu schmalen Bündeln zusammengefasst sind. Die einzelnen Muskelfasern sind bereits nur noch mikroskopisch dünn, können aber bis zu 30 cm lang sein.

Fibrillen

Eine Muskelfaser besteht wiederum aus Hunderten Fibrillen, feinen Schnüren vergleichbar. Zusammengesetzt sind diese Fibrillen aus identischen Bausteinen, den Sarkomeren.

Sarkomere

Die Sarkomere bilden kleine Kammern, innerhalb derer sich zwei Arten von Molekülfäden, Myosin und Aktin, befinden.

Myosin und Aktin

Beide Eiweißfäden besitzen eine überaus komplexe Oberflächenstruktur und liegen parallel zueinander.

Alle Muskelfasern des Menschen sind nach diesem Prinzip aufgebaut, und doch gibt es zwei Typen – sie unterscheiden sich in ihrer Farbe und ihrer Leistungsfähigkeit.

Dunklere, rote Faserstränge sind von deutlich mehr feinen Blutkapillaren durchzogen als die helleren, fast weißen Muskelfasern. Sie werden besser mit Energie und Sauerstoff versorgt und ermüden weniger, sie können ausdauernder arbeiten, sind aber nicht so stark.

Weiße Muskelfasern stellen bis zu fünfmal mehr Kraft für einen kürzeren Zeitraum zur Verfügung und sie können sich fast zehnmal schneller kontrahieren, halten aber diese Höchstleistung nur für kurze Zeit. Die meisten Muskeln enthalten weiße wie rote Muskelstränge in ausgewogenem Verhältnis, doch einzelne spezialisierte Muskelgruppen besitzen mehr von einem Typ wie z. B. die Rückenmuskulatur – rote – oder der Bizeps – weiße.

Funktion der Muskulatur

Durch einen Nervenimpuls ausgelöst, schieben sich – biomechanisch sehr komplex – die beiden Molekülfäden von Myosin und Aktin aneinander vorbei und verschränken sich ineinander: Das Sarkomer verkürzt sich. Da in einer Fibrille viele Tausend Sarkomere hintereinander aufgereiht sind, addiert sich die winzige, nur mikroskopisch erkennbare Verkürzung der einzelnen Sarkomere zu einer auch für das bloße Auge sichtbaren Verkürzung der Muskelfasern und des Muskelstranges. Aus der Kontraktion des Muskels entsteht durch Kraftübertragung Bewegung. Um den Kopf zu heben, müssen Milliarden Moleküle verschoben werden – bei einem Hundertmeterlauf wird eine unfassbar große Menge dieser Moleküle ineinander verschränkt und wieder gelöst.

Muskelgruppen

Einige Muskelgruppen können wir gezielt steuern, so die meisten der sogenannten Skelettmuskeln, also der Muskeln, die eine Verbindung zum Knochen aufweisen. Bewegung und Mimik zählen dazu.

Es gibt jedoch auch Muskelgruppen, die nicht mit einem Knochen verbunden sind. Diese steuern Vorgänge im Inneren unseres Körpers, wie das Arbeiten des Verdauungsapparates, die Erweiterung oder Verengung unserer Blutgefäße, der Pupille oder des Innenohres. Sie arbeiten, ohne dass wir bewußt Impulse setzen können.

Nervenstränge

Die Nervenstränge zu den Muskeln sind keineswegs eine Einbahnstraße und die Muskeln weit mehr als ein mechanischer Motor: Muskeln senden vielfältige Steuerungsimpulse aus, setzen Signale und kommunizieren mit dem Rest des Körpers, den Organen, dem Immunsystem, und beeinflussen sogar die Hirnaktivität.

Viele Bewegungen werden erst möglich durch das Zusammenwirken mehrerer Muskeln – die einen, die sich anspannen und die anderen, die sich gleichzeitig entspannen. Je besser die Synchronisation von komplementär arbeitenden „Beugern“ und „Streckern“ gelingt, desto energieeffizienter arbeiten die Muskeln.

Versorgung der Muskulatur

Für die Milliarden Molekülverschiebungen wird Energie benötigt. Die holt sich der Muskel über die Blutgefäße: Fette, Kohlenhydrate und Sauerstoff. Ohne Sauerstoff kann der Muskel diese Nährstoffe nicht in Energie verwandeln. Umgangssprachlich wird gerne von „verbrennen“ gesprochen. In der Regel klappt diese Versorgung bei niederschwelligen Bewegungen sehr gut. Anders sieht es aus, wenn mehr Leistung verlangt wird.

Der Muskel drückt bei seiner Kontraktion die feinen Kapillaren zusammen. Bereits bei einem Wert von ungefähr 15 % der maximalen Muskelleistung wird die Versorgung über die Blutgefäße beeinträchtigt. Etwa bei halber Maximalleistung des Muskels wird dieser kaum noch über die Blutgefäße versorgt. Wird die Leistung weiter gesteigert, bleibt dem Körper nur noch, auf die Glykogenspeicher zurückzugreifen, die im Muskel angelegt sind.

Diese kann er, wenn auch nur ungenügend, ohne Sauerstoff in Energie umsetzen. Bei diesem Prozess kommt es dann zur Laktatbildung, sauren Stoffen, die nicht sofort abgebaut werden können, da die Blutzirkulation unterbrochen ist. Der Muskel „übersäuert“ und schmerzt. Zur Dämpfung der Schmerzen setzt der Körper Endorphine frei, bis der Blutkreislauf so gesättigt ist, dass der Puls sich erhöht und der Rückfluss zum Herzen gestört ist. In diesem Moment betätigt das Hirn eine Art „Notabschaltung“: Der Muskel wird der bewussten Steuerung entzogen und nicht weiter angespannt.
Gleich im Anschluss beginnt der Körper, die geleerten Energiespeicher wieder zu füllen, die verbrauchten Mineralstoffe zu ersetzen und die entstandenen Schäden zu reparieren.

Regeneration, Training und genetische Veranlagung

Jede andauernde und hohe Leistung eines Muskels führt zu Schäden an seiner Eiweißmolekülstruktur – viele der mikroskopisch dünnen Eiweiß-Fäden in seinem Inneren bersten, manchmal sind ganze Muskelfasern betroffen, die von feinen Rissen durchzogen sind. Auf diese Schäden reagiert der Körper mit zwei Vorgängen: Eine Entzündung stellt sich ein – das ist, was wir meist unter Muskelkater verstehen – und die zerstörten Strukturen werden ersetzt. Dieser Vorgang nimmt einige Tage in Anspruch, in dieser Zeit ist der Muskel nicht voll belastbar.

Kommt es wiederholt zu hohen Belastungen, zeigt sich, wie anpassungsfähig unser Körper ist: Um für eine kommende nächste Beanspruchung besser gerüstet zu sein, baut der Körper auf Expansion, er überkompensiert. Zwar erhöht sich nicht die Anzahl der Muskelfasern, denn diese ist genetisch festgelegt, wohl aber die Anzahl der in den einzelnen Strängen eingelagerten Eiweißketten: Der Muskel wächst.

Durch gezieltes Training können wir also Muskeln aufbauen. Doch dasselbe Trainingsprogramm hat bei jedem Menschen ein unterschiedliches Resultat, das nicht nur von Geschlecht und Alter abhängt, sondern auch von der genetischen Grunddisposition. Etwa 200 Gene bestimmen unsere sportliche Leistungsfähigkeit und zu 70 % ist genetisch bereits festgelegt, inwieweit sich unsere Muskeln trainieren lassen. Einige bauen schneller Muskeln auf als andere, auch Eiweißdrinks oder Basenpulver vermögen daran nichts zu ändern.

Gezieltes Training verändert auch die Balance zwischen weißen und roten Muskelfasern – je nach Anforderung können so Ausdauer- oder Maximalleistungen verbessert werden, denn der Körper kann die einzelnen Fasern umbauen – je nach Bedarf mehr rote oder mehr weiße Fasern bereitstellen. Dieser Prozess nimmt allerdings einige Zeit in Anspruch.

Muskeln lassen sich besser trainieren, je jünger sie sind, bereits ab dem Alter von 20 Jahren nimmt diese Trainierbarkeit ab – wir brauchen länger zum Muskelaufbau, je älter wir werden. Die gute Nachricht ist – wir verlieren diese Fähigkeit nie ganz: Auch bis ins hohe Alter hinein können wir unsere Muskeln noch fördern und trainieren.

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